Starke Frauen - tagora-Reportage im Magazin 'Frauenland'

Dank Safran wieder Kraft gefunden

Nach einem schweren Schicksalsschlag wagte Silvia Bossard aus Aristau einen Neustart: Sie begann mit dem Anbau von Safran im Aargau. Inzwischen gilt ihr Unternehmen Tagora als grösste Safranproduzentin der Schweiz.

Es duftet würzig aus dem Backofen des grossen Event- und Ausstellungsraumes der Firma Tagora. In wenigen Minuten sind die Safran-Käse-Muffins mit Baumnüssen bereit zum Geniessen. Als Dessert serviert Silvia Bossard süssen Safran-Schaum auf Meringues und einem goldgelben Sirup mit dem zarten Gout der Safranfäden. Auf dem Hof Tagora in Aristau, auf 464 Metern über Meer und mit Blick auf die Innerschweizer Alpen, dreht sich so ziemlich alles um das rote Gold – den Safran.

Einen neuen Platz finden

Die Geschichte des Safranunternehmens von Silvia Bossard begann nach einem tragischen Unfall: Am 15. Dezember 2004 verunglückte ihr Mann Heinrich, ein Zuger Unternehmer, tödlich bei einem Flugzeugabsturz in Neuseeland. Silvia Bossard wurde schwer verletzt geborgen.

Nach einer sechsmonatigen Zeit der Rehabilitation, Trauer und Schmerz suchte sie nach Möglichkeiten, «die träge schmerzende Materie meines Körpers mit einer positiven Aktivität zu verbinden und mir so den Platz in der Schöpfung bewusst neu zu schaffen».

In einer technikgeprägten Welt als Konstrukteurin mit einer kaufmännischen Führungsausbildung geschult, besann sich Silvia Bossard auf ihre Wurzeln als Aargauer Bauerntochter. «Ich suchte nach einer Nische in der Schweizer Landwirtschaft, die ich ohne Investitionen in die Technik und ohne Automatisierung betreiben konnte», erzählt die 60-jährige Mutter von zwei Stiefkindern. So kam ihr die Idee, Safran auf heimatlichem Boden anzupflanzen.

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Experimente und Rückschläge

Am Anfang wurde Silvia Bossard belächelt, als sie 2007 auf einem Stück Landwirtschaftsland ihres Vaters in Hendschiken sowie an drei weiteren Standorten insgesamt 10 00 Knollen setzte. Etwa zehn bis 15 Prozent der Knollen trieben bald aus. Ihr war jedoch klar, dass dies noch lange nicht heissen würde, den Safran in einem Jahr auch wirklich ernten zu können. Silvia Bossard musste einige Rückschläge einstecken.

Doch sie experimentierte mit verschiedenen Anbaumethoden, um zum Beispiel dem Unkraut Herrin zu werden. So deckte sie den Safran unter anderem mit einem mit Kies beschwerten Vlies ab. Im Folgejahr zeigte sich aber keine einzige Knollen. «Wahrscheinlich war es dem Safran unter dem Vlies zu heiss.» Mit der Erfahrung kamen die Erfolge: Der Pflanzort in Hendschiken erwies sich als ideal, denn er verfügt über ein Kiesbett, wo das Regenwasser gut versickern kann. «Safran braucht die Sonne, aber auch der Nebel stört ihn nicht.» Ab 19 Grad Celsius beginnt er zu blühen und kann zwischen Mitte September bis Mitte November geerntet werden.»

Bescheiden im Unterhalt

Safran ist grundsätzlich pflegeleicht und anspruchslos. Zu seinen natürlichen Feinden zählen Mäuse, Engerlinge und Rehe. Ausserdem lässt er sich allzu leicht vom Wildkraut verdrängen. «Safran ist aufwendig im Anbau aber schlicht und bescheiden im Unterhalt. Er braucht viel Ruhe – so wie ich.»

Auf Pflanzenschutzmittel und Pestizide verzichtet die Safran-Unternehmerin bewusst. Lieber setzt sie auf Permakultur, stellt Mäusefallen auf und bekämpft das Unkraut mechanisch. Silvia Bossard sucht zudem  nach Pflanzen, die sich mit dem Safran gut vertragen, ihn nicht verdrängen und das hohe Unkraut von ihm fernhalten. Versuche mit Mohn oder Kamille brachten offenbar nicht den gewünschten Erfolg.

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400 Gramm pro Tag

Mittlerweile hat sich Silvia Bossard mit ihrem Unternehmen etabliert und sich einen Namen als Safranproduzentin gemacht. Unter dem Label «Aargauer Safran» kultiviert sie zusammen mit ihrem Team auf einer Fläche von 70 Aren Bio-Safranfäden von höchster Qualität. Zurzeit bewirtschaftet  die Firma rund 300 00 Knollen und ist damit die bedeutendste Safranproduzentin der Schweiz.

Stolz erzählt Silvia Bossard, wie sie letzten Herbst zusammen mit 30 Helferinnen und Helfern aus der Region pro Tag 400 Gramm Safranfäden erntete. Dabei arbeitet man zuerst lange in der Hocke auf dem Feld. Dann werden an einem Tisch die Stempelfäden von den blauen Blüten getrennt. «Wir hatten das letzte Jahr eine gute Saison. Die Mischung aus Feuchtigkeit und vielen Sonnentagen hat dem Safran gut getan.»

Safran-Energydrink

Die Safranfäden werden über den Webshop sowie über die Spitzengastronomie, über Lebensmittelproduzenten und Spezialitätengeschäfte vertrieben. «Das gute Image des Safrans gibt uns viel Rückenwind.» Gelagert werden die Safranfäden, -blüten und -produkte in den Trocken- und Kühlräumen des Hofes. Hinzu kommen Räume für die Packerei und den Versand sowie Büros.

Neben der Verwendung der Safranfäden als Gewürz setzt die Firma auf verschiedene Safranprodukte. So wird der Safran zum Beispiel auch zu Sirup, Likör, Gelée und Dessertschaum verarbeitet. In der Wintersaison 2012 wurden die Passagiere der Swiss mit einer Glacé aus Vanille und Aargauer Safran verwöhnt.

2015 folgte ein Safran-Luxemburgerli aus dem Hause Sprüngli. Später kam es zu einer Zusammenarbeit mit dem Parkhotel Vitznau, woraus eine Safran-Rüeblikuchenmischung entstand. Für die Herstellung von Safran-Schokolade sucht Silvia Bossard noch eine geeignete Schokoladenmanufaktur.

Safran in einem Energy-Drink ist ebenfalls ein Thema: Zusammen mit der Fachhochschule Nordwestschweiz entwickelte die Firma Tagora das Rezept für ein Nahrungsergänzungsmittel, das die Wirkung der Polyphenole und Flavonoide der Safranblüten verwendet. Sie sollen antioxidativ wirken und die Zellregeneration fördern. «Für die serielle Produktion sind wir allerdings auf die Zusammenarbeit mit einem Partner angewiesen.»

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Kosmetik mit «rotem Gold»

Safran eignet sich auch für Naturkosmetik: Bereits existieren eine Tages- und eine Nachtcreme sowie eine Body Lotion. Auch hier hält die Unternehmerin Ausschau nach Produktions- und Vertriebspartnern. Silvia Bossard weiss heute viel über den Safran, über seine Eigenheiten als Pflanze, über die Verarbeitung als Lebensmittel wie auch über seine chemischen Wirkungen.

Das Ziel ihres Unternehmens: Die kommerziellen und ideellen Aktivitäten unter einen Hut zu bringen. So beschäftigt die Firma Mitarbeitende, die pensioniert oder aus dem normalen Arbeitsprozess ausgeschlossen wurden, etwa wegen mangelnder Ausbildung oder aus persönlicher Gründen. Weiter arbeitet Silvia Bossard mit sozialen Institutionen zusammen, wie etwa der Stiftung Satis für Menschen mit psychischen, physischen und sozialen Beeinträchtigungen oder dem Tierheim Laika.

Neben ihren Zielen ist es ihr jedoch auch wichtig, Zeit für sich und ihre Tiere  zu haben – sechs Katzen und zwei Pferde. Während sie vor ihrem Flugzeugunfall gerne gereist ist, stehe heute das Lernen rund um den Safran als Leidenschaft und Hobby im Vordergrund. «Wenn ich mich heute nochmals entscheiden müsste: Ich würde ich mich wieder für den Safran entscheiden. Er hat meinem Leben einen neuen Sinn gegeben.»

Hier gehts zum Artikel von Fabrice Müller, publiziert: 15.04.2020 im Frauenland